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Essay-Brief Jänner 2016

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Der Radikale Yoga -  Teil II.

© Bernd Helge Fritsch

 

Der „Radikale Yoga“ ist kein „Nebenbei-Job“ sondern ein „24 Stunden x 7 Tage pro Woche–Job“. Radikaler Yoga bedeutet ständige Selbst-Wahrnehmung, Hingabe, Freude und inneren Frieden. Bei diesem Yoga-Weg (Weg zur Verbindung mit dem Höchsten) solltest du dich immer wieder fragen:

Auch wirst du sorgfältig darauf achten ob du dich mit deinem Körper, deinen Gedanken, deinen Lebensumständen identifizierst. Du bleibst dir stets bewusst: „Dieser Körper, diese Lebensumstände, das alles bin ich nicht! Das ist nur ein Spiel, ein Lernprozess. Ich bin reines Bewusstsein! – Ich bin in meinem Seelengrund umfassende Weisheit, Liebe und Glückseligkeit!“

Anfangs wird dir diese Selbstbeobachtung ungewohnt und vielleicht unnatürlich erscheinen. Es kann sogar sein, dass dein Ego dadurch zusätzliche Energie gewinnt, weil du versuchst, durch diese Übung etwas für dein „kleines Ich“ zu gewinnen. Doch mit der Zeit wird dir diese permanente Innenschau zu einer selbstverständlichen Gewohnheit. Du fühlst dich wohl dabei, sie gibt dir innere Ruhe, Ausgeglichenheit und Selbstsicherheit. Du durchschaust rasch wenn sich wieder mal dein Ego meldet. Du kannst besser Loslassen. Du genießt deine gesteigerte Bewusstheit, fühlst dich frei und leicht. Umso besser kannst du jetzt deine Aufgaben erfüllen, umso besser kommunizierst du mit deinen Mitmenschen. Ein immer stärker werdendes Gefühl von liebevoller Hingabe begleitet dich.

Setzen wir fort mit den „Zehn Geboten des radikalen Yoga-Weges:

4. Radikale Zufriedenheit

Zufriedenheit mit dem was ist, öffnet wohl den schönsten und einfachsten Weg zur Befreiung. Du musst dabei nichts tun. Du willst dabei nichts erreichen. Dein Ego mit seinen Wünschen und Sorgen schweigt und schon hast du alles erreicht!

Radikale Zufriedenheit entspricht der Bewusstseins-Haltung von „Wu Wei“. (Anm.: der Begriff stammt aus dem Taoismus, der auf Laotse zurück geht. Siehe „Wu Wei – Nichts tun und alles erreichen“.) Beim Wu Wei sind wir uns bewusst, dass alles Geschehen von göttlicher Weisheit durchdrungen ist. Ohne etwas zu wollen, ohne Anstrengung schwingen wir im Einklang mit dem universellen Geschehen.

Nach der Überlieferung drückte Jesus diese Seelenhaltung mit den Worten aus: „Dein Wille geschehe!“ Sorgt diese Einstellung nicht für eine wunderbare Leichtigkeit? Mit ihr musst du um nichts mehr kämpfen, brauchst dir keine Sorgen machen, trägst keine Last der Verantwortung. Du hast keine Entscheidungs-Probleme, sondern du erledigst spontan, aus der Stille heraus, was der Augenblick erfordert.

Wir können ohnedies zum äußeren Geschehen weder etwas dazu oder noch etwas dagegen tun. Der Glaube, selbst der „Macher“ zu sein, beruht auf einer Fehlbeobachtung. Allerdings können wir uns in sinnloser Weise innerlich gegen das was geschieht auflehnen, Widerstand leisten (siehe das 5te Gebot). Dies führt jedoch nur zu innerer Unruhe, zu seelischem Leiden.

 

Dazu lesen wir in der Bhagavad-Gita

3:27 Krishna: Alles was in der erscheinenden Welt geschieht, wird durch die Kräfte meiner Natur (Prakriti) vollzogen. Doch der Mensch, verwirrt von seinem Ego-Gefühl, meint er sei der Täter.

 

Das Geschehen in der äußeren Welt wird zum einen von unserer inneren Einstellung geformt. Wie wir die Dinge und Ereignisse bewerten und über sie urteilen, bestimmt wie sie uns erscheinen. Wenn du eine sehr kleine Wohnung hast, kannst du glücklich sein, dass sie relativ geringe Kosten verursacht, dass sie einfach zu reinigen ist... oder du kannst unglücklich sein, weil du glaubst nicht genug Platz zu haben, weil du dich arm fühlst, weil du reiche Menschen beneidest...

Bist du radikal genug, nimmst du die kleine Wohnung genauso dankbar an wie die große. Du identifizierst dich nicht mehr mit deiner Wohnung. Du bist in deinem Glücklich-Sein nicht mehr abhängig von äußeren Umständen.

Zum anderen ist alles äußere Geschehen vom „Ursache-Wirkung“- Gesetz bestimmt. Dieses Gesetz wird auch „Karma“- oder Schicksals-Gesetz genannt. Nach diesem Gesetz sind alle unsere Bemühungen unsere äußeren Lebensumstände zu verändern zum Scheitern verurteilt. Denn alles wird sich so ereignen, wie es vom Schicksal vorherbestimmt ist. Beispielsweise ist es eine Illusion, wenn du versuchst eine glücklichere Beziehung zu erlangen, indem du deinen Partner wechselst. In kurzer Zeit wird sich herausstellen, dass sich an deinem „Un-Glücklich-Sein“ nichts geändert hat. Auch ein Job-Wechsel oder der Wechsel deines Wohnortes wird dich nicht glücklicher machen. Dein Schicksal entspricht der Art deines Bewusstseins. Nur durch mehr Bewusstheit, Präsenz, Achtsamkeit, Zufriedenheit… kannst du deine Lebensumstände entscheidend verändern.

Oder du erkennst, dass ohnedies alles, so wie es ist, bereits vollkommen und von göttlicher Weisheit durchdrungen ist. Was willst du dann noch verändern?

Alles ist Brahman

Alles ist Bewusstsein, alles ist Gott und das bist du. So wie jede Welle, jede Gischt, jeder Fluss, jede Wolke, jeder Regentropfen, jeder Schneekristall im Grunde nur Wasser sind, so sind alle Erscheinungen nichts anderes als Manifestationen von Bewusstsein (Gott, Brahman). (Anm.: Ich bevorzuge den Sanskrit- Begriff Brahman, weil er für Menschen aus dem westlichen Kulturkreis in der Regel weniger mit Projektionen und Denkmustern belastet ist, als der Begriff „Gott“. Auch ist „das“ Brahman geschlechts-neutral und steht jenseits aller Definitionen – Sanskrit: „neti, neti“ - nicht so, nicht so.)

Jeder Mensch ist im Grunde seiner Seele reines Bewusstsein. Doch in der Regel ist dieses Bewusstsein getrübt durch verkehrte, negative Gedanken und Gefühle. Dieses „verunreinigte“ Bewusstsein spiegelt sich in der Folge in den Problemen unserer Lebens-Umstände wieder. So entsteht Karma (Schicksal).

Das höchste Bewusstsein (Weisheit, Liebe, Glückseligkeit) offenbart sich erst, wenn das Ego-Bewusstsein, mit seinem Wollen, Wünschen, Bedauern, Be- und Ver-Urteilen schweigt. Sodann enden aller Stress, alles überflüssige Bemühen, alles Jagen nach dem Glück.

Der damit verbundene „Frieden“ übersteigt alle weltlichen Freuden. Zufriedenheit beendet alle Erwartungen, Ängste und Sorgen. Wenn du nichts begehrst, nichts erwartest, nichts befürchtest, bist du befreit, es verwandelt sich Zeit in Ewigkeit und du erwachst zum „ewigen Leben“.

 

Zufriedenheit ist der Stein der Weisen.

Sie verwandelt alles in Gold, was sie berührt.

Benjamin Franklin

 

5. Radikale Akzeptanz - Kein innerer Widerstand

Die Welt ist, wie sie ist und sie ist vollkommen wie sie ist, auch wenn dies der menschliche Verstand kaum zu fassen vermag. Dem Ego-Bewusstsein fallen sofort dutzende Dinge ein, die nicht in „Ordnung“ sind. Es denkt an Übles und sofort ist Übles im Bewusstsein. Dennoch, alles Sein, alle Erscheinungen sind von göttlicher Weisheit gelenkt und durchdrungen. So dienen aller Ärger und alle Sorgen als Aufruf zur Transformation unseres Bewusstseins. Alles Leid dient nur zum Erwachen.

Nur unbewusste Menschen ärgern sich über etwas, was bereits so ist, wie es ist. Sich ärgern, in Wut geraten, sich bedauern, sich grämen, sich Sorgen machen – das sind alles sinnlose Ego-Reaktionen. Was ändert mein Ärger an dem was schon ist? Er schadet nur meiner seelischen und körperlichen Gesundheit.

Wer das Spiel der äußeren Welt (Maya) durchschaut, kann alles Geschehen mit Gelassenheit beobachten. Er identifiziert sich nicht damit. Er erkennt die negative Kraft des Ego-Bewusstseins in anderen Menschen und vor allem in sich selbst. Er ist sich im Klaren darüber, dass seine negativen Urteile und sein Ärger seinem Ego-Bewusstsein entspringen.

Mit dem reinen Bewusstsein fällt es dir leicht zu vergeben und zu vergessen. Wie Jesus sprichst auch du sodann: „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!“

Wer sich über andere Menschen, über sich selbst, über Ereignisse welcher Art immer ärgert, leistet dem Leben gegenüber Widerstand. Er stärkt und verhärtet damit sein Ego und vernebelt seinen Geist für spirituelle Erkenntnis.

Wie ein Spiegel sein

Lass äußere Ereignisse gelassen kommen und gehen. Verhalte dich wie ein großer Spiegel. Er bleibt stets unberührt von den Bildern der Welt, die auf seiner Oberfläche erscheinen und wieder vorbei gehen.

Werde dir bewusst: „Was mich stört, ist mein Problem!“ Das Ego-Verhalten anderer regt dich nur solange auf, als es dein eigenes Ego-Bewusstsein widerspiegelt.

Die äußere Welt mit ihrem Geschehen wird im Guten und auch im Bösen vom universellen Bewusstsein (Brahman) bestimmt. Für deine innere Welt hingegen bist du allein verantwortlich. Kümmere dich daher um deine Seele und um dein Bewusstsein und überlass alles Weitere der Weisheit des allumfassenden Seins.

Verweile im „Nicht-Bewerten“, in Gleichmut gegenüber den Erscheinungen ob angenehm oder unangenehm, erfreulich oder unerfreulich. So befreist du dich von dem Auf und Ab der Welt. Und schließlich erkennst du, dass alles, was in deinem Leben geschieht gut und richtig ist. Nur deine Art zu denken, zu bewerten, schafft die Probleme. Dein Ego schafft die Probleme und ist endlos damit beschäftigt sie zu lösen. Dieses Verhalten solltest du radikal beenden. Geh über deine duale, bewertende Denkweise hinaus! Beende radikal dein rastloses Denken! Geh radikal in die Stille und du bist befreit.

Radikale Akzeptanz bedeutet nicht unbedingt passiv zu bleiben. Doch handle nicht gesteuert von deinen Ego-Verhaltens-Mustern. Handle nicht geleitet von Ärger, Furcht oder sonstigen Emotionen. Sondern bleibe stets in Verbindung mit deinem Innersten. Handle aus der inneren Stille. Handle aus dem Bewusstseins-Zustand der Zufriedenheit und der liebevollen Annahme von dem, was ist. Sodann wir dir dein Innerstes zur rechten Zeit die nötigen Impulse für das richtige Tun oder Nicht-Tun geben.

6. Radikal authentisch leben

Authentisch leben bedeutet der Stimme seines Herzens folgen. Wer sein wahres Wesen lebt, wird anderen Menschen stets liebevoll begegnen, doch er wird sich nicht „verbiegen“ um anderen zu gefallen oder deren Wünsche zu erfüllen. Er wird die Einladung zu einer Weihnachtfeier freundlich ablehnen, wenn er es vorzieht, Stille oder ein gutes Buch zu genießen, statt beisammen zu sitzen und stundenlang die üblichen Smalltalk-Gespräche zu führen.

Menschen am spirituellen Weg werden von anderen gern als etwas verrückt und lebensfremd beurteilt. Sie werden oft als Outsider eingestuft. Das berührt sie nicht. Der „Yogi“ fühlt sich weder als Insider noch als Outsider. „Verrückt“ im Sinne von anders als der Durchschnitts-Mensch zu sein, ist für ihn ein Kompliment. Doch er vermeidet es unnötig aufzufallen oder den „Nicht-Verrückten“ von seinen Überzeugungen oder gar von seinen spirituellen Fortschritten zu erzählen. Insbesondere sollte er darauf achten sich nicht „besser“ als andere Menschen vorzukommen und so sein Ego aufzublähen.

Vom Umgang mit dem Körper

Einen Körper zu haben und mit ihm durchs Leben zu gehen ist ein großartiges Geschenk. Unser Körper ist ein Werkzeug. Er gibt uns die Basis um aus dem Traum der Maya, aus dem Traum von Unvollkommenheit, von Vergänglichkeit, von Getrenntheit zu erwachen. Geh daher sorgfältig mit ihm um.

Jede Zelle deines Körpers ist von göttlicher Weisheit durchdrungen. Wie könnte sie sonst leben, sich in wundersamer Weise ständig erneuern und ihre Aufgaben erfüllen?

Der Körper offenbart deine Gefühle. Er spiegelt deine Seele und zugleich beeinflusst er sie. Jede Zelle deines Körpers leidet, wenn du dich ärgerst oder sonst negative Gedanken hegst. Jede Zelle freut sich und gesundet, wenn du bewusst lebst, liebst und grundlos glücklich bist.

Der Körper, den wir für diese Inkarnation gewählt haben, ist ein Ausdruck unserer Seele, doch er ist nur ein Abbild, ein Gleichnis. Identifiziere dich daher nicht mit ihm. Auch das universelle Bewusstsein identifiziert sich nicht mit seinen Schöpfungen.

Du gibst dem Körper, was er braucht um gesund und energievoll zu sein. Wenn dein Körper gute Speisen bekommt, so erfreust du dich daran ohne Abhängigkeit. Ebenso bist du mit dem einfachsten Essen glücklich und zufrieden.

Du suchst weder sexuelle Freuden, noch lehnst du sie ab. Gib dem Körper was des Körpers ist, ohne dich damit zu identifizieren ohne dich, dein wahres Wesen dabei zu verlieren.

Bei all dem was dein Körper tut oder was ihm begegnet bleibst du der liebevolle, heitere und gelassene Beobachter.

Rollen-Spiele

Zu unserer äußeren Mission gehören die Rollen, die wir im Leben zu spielen haben. Es sind die Kind-, Schüler-, Mutter- oder Vater-Rollen, die Rollen, die wir im Berufsleben, als Mitglieder der Gesellschaft oder in unserer Freizeit spielen. Wie die Bhagavad-Gita wiederholt betont, ist die Umsetzung von Karma-Yoga (Weg des selbstlosen Handelns) zur Erlangung von „Vollkommenheit“ zumindest ebenso wichtig, wie Erkenntnis, Meditation und Einkehr bei sich selbst:

3:4 Krishna: Vollkommenheit erreicht man nicht indem man sich des Wirkens in der äußeren Welt enthält und asketisch lebt.

3:8 Erfülle deine Pflichten. Handeln ist besser als Nichthandeln…

3:15 Selbstloses Handeln, Arjuna, hat in Brahman, dem universellen Gott seinen Ursprung. Wer nicht ebenfalls in diesem Sinne wirkt, vergeudet sein Leben.

 

Selbst wenn ein hervorragender Schauspieler bei einer Theater-Aufführung völlig in seiner Rolle aufgeht, so ist er sich dabei im Hintergrund seiner Seele stets bewusst, dass er nur eine Rolle spielt. Ebenso ist es für uns wichtig, dass wir im Leben, klar unterscheiden, zwischen der Rolle, die wir spielen und dem unvergänglichem Seelen-Grund, der wir sind.

Unsere wahre Natur ist Bewusstsein (Gott, Brahman). Zum Unterschied von den Pflanzen und Tieren ist der Mensch dazu fähig sein Bewusstsein zu reflektieren. Er kann sich seiner selbst bewusst sein. Er ist dazu berufen göttliches Wesen zum Ausdruck zu bringen.

Unsere Erden-Mission besteht darin, unser Ego-Bewusstsein zum universellen Bewusstsein zu transformieren. Dadurch wird individuelles Bewusstsein eins mit allem Sein. Alles andere hat daneben nur zweitrangige Bedeutung.

Jeder Mensch hat die äußere Mission, all seine Fähigkeiten, Talente zur schönsten Blüte und Frucht zu bringen. Spiele deine Rollen so gut du kannst. Doch lass dabei dein Ego beiseite. Mit der selbstlosen Entfaltung deiner Individualität trägst du dazu bei, dass sich in der Welt die vielfältige Herrlichkeit Brahmans – die du selbst bist - widerspiegelt.

 

Im folgenden Essay-Brief werden wir uns weiter mit den Geboten des radikalen Yoga auseinander setzen.

Ein neues Jahr mit viel Freude und Bewusstheit wünscht dir

Bernd